Donnerstag, 10. Mai 2012

Hatte der "NSU" weitere Unterstützer? (Teil 3): Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt und das Leben im öffentlichen Untergrund - Noch sind viele Fragen offen!

 
(lsn) ...FORTSETZUNG VON TEIL 2... 

Intensiv sind inzwischen die ehemaligen Nachbarn von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe befragt worden. Zum Beispiel die, aus dem Haus in der Zwickauer Polenzstraße 2, in dem die "NSU"-Terroristen gewohnt hatten, bevor sie Anfang 2008 in die Zwickauer Frühlingsstraße 26 gezogen waren.

So fragte man, was Beate Zschäpe, die sich dort "Susann Dienelt" nannte und den Sitznamen "Lisa" hatte, uber sich und die beiden Männer, die bei ihr wohnten so erzählt habe. Nicht viel offenbar. Lisa konnte zuhören, wurde zu Protokoll gegeben, aber gab nicht viel preis. Einer Nachbarin erzählte sie einmal, dass sie mit "Max" (= Uwe Mundlos) kein Liebesverhältnis habe, sondern seit 19 Jahren mit "Gerry" (= Uwe Böhnhardt) zusammen sei, wie die "Süddeutsche Zeitung " berichtete.

Wenn sich die Bewohner der Polenzstraße 2 (siehe Foto rechts) im Hof trafen, so die "Süddeutsche", waren "Gerry" und "Max" allerdings nie dabei. Sie würden in den Firmen ihrer Eltern arbeiten, sagte Lisa, und dort viel Geld verdienen. Autos habe man keine, "die Jungs" würden "immer mit dem Fahrrad" fahren. Lisa hielt die sozialen Kontakte zu den Nachbarn und erklärte ihnen ihre kleine Welt. Mancher Nachbar hielt "Gerry" und "Max" für Grüne, gutverdienende Grüne, denn manchmal kaufte Lisa für die Nachbarn groß ein und zahlte alles selbst und zwar in bar. Doch, doch, sagte eine Nachbarin der Polizei, Lisa konnte sehr spendabel sein.

Über Politik, sagt sie, habe sie nur einmal mit der Lisa gesprochen. Im Fernsehen sei ein Film über rechte Krawallos gelaufen und Lisa sei ernst geworden und soll gesagt haben: "Lass die Finger davon". Zufällig bekam in der Polenzstraße eine andere Nachbarin einmal mit, dass die beiden Männer, als sie ihre Fahrräder nach oben brachten, über Waffen redeten. Als sie Lisa darauf ansprach, habe die nur gesagt, "Ja, klar. Die beiden sind ja im Schützenverein". Damit war die Sache erklärt gewesen. Was man sonst noch über Lisa wisse? Dass sie ihre Katzen Heidi und Lilly (siehe Foto oben aus dem Zwickauer Tierheim) sehr geliebt habe, berichtete eine weitere Nachbarin vor kurzem in der ARD.

Hier hat das BKA also schon umfänglich Informationen in Erfahrung gebracht. Doch gibt es weiter viele Rätsel, für die Bundesanwaltschaft und BKA immer noch keine Erklärungen haben. Fünf Fragenkomplexe sind es:

1.) Die nicht durchgeführte Flucht von Mundlos und Böhnhardt am 4. November 2011. Obwohl sie ihr Wohnmobil auf einem Parkplatz direkt an einer Autobahnauffahrt abgestellt und darin nach dem Überfall ihre Beute und ihre Fahrräder verstaut hatten, fahren sie nicht auf die Autobahn. Stattdessen parken sie es in einem nahegelegenen Wohngebiet, in dem ein großes, weißes Wohnmobil auffällt. Dass sie so einer möglichen Ringfahndung entgehen wollen, lässt sich nur schwer nachvollziehen.

Außerdem: Aus dem Polizeifunk wissen sie, dass kurz nach 11.00 Uhr (also rund zwei Stunden nach dem Überfall) die Ringfahndung aufgehoben wird. Trotzdem fahren sie nicht über die Landstraße oder die Autobahn davon, sondern verbleiben in ihrem Fahrzeug und warten. Reiner Zufall ist es, dass eine Polizeistreife eine weitere Stunde später, etwa um 12.00 Uhr, das Wohngebiet ein zweites Mal abfährt. Als die Beamten dort ein Wohnmobil entdecken, ihren Wagen parken und sich zu Fuß dorthin begeben, fallen plötzlich in dem Fahrzeug Schüsse, es geht in Flammen auf.

Hatten Mundlos und Böhnhardt drei lange Stunden in der Wohnsiedlung in Stregda auf einen Vertrauten gewartet und nahmen die beiden wegen des zufälligen Auftauchens der Polizei plötzlich an, sie seien verraten worden?

2.) Weshalb ist bis heute nichts über Taten des "NSU" zwischen dem Mord an der Polizistin im Jahre 2007 und den Überfällen auf Sparkassen im Jahre 2011 bekannt? Erst 2008 zogen sie von der Polenzstraße in Zentrums- und Bahnhofsnähe nach der Frühlingsstraße im Zwickauer Norden. Dort bauten sie die Wohnung im 1. Stock dann zeitaufwendig um, machten sie u. a. schalldicht.

3.) Ganz heikel wird es bei der Klärung der Frage nach dem Grund der "absichtlichen" Pause in den Aktivitäten des Trios nach dem Nagelbomben-Anschlag in Köln am 09.06.2004 und dem Mord am 09.06.2005 in Nürnberg. Exakt ein Jahr lang hatte der "NSU" sich hier sowohl mit Gewalttaten als auch Überfällen zurück gehalten. Wollten Sie mit dieser exakten Pause ihrer Taten den Ermittlern ein Zeichen geben? Die Arbeit am ersten Propagandavideo war zu dieser Zeit schon begonnen worden. Wollten Sie es 2005 versenden?

4.) Keine Erklärung hat man auf Seiten des BKA über den auffällig geringen Wasserverbrauch von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in deren finalen Wohnung in Zwickau. "Das Bild bleibt lückenhaft", sagte ein hochrangiger Ermittler dieser Tage der Zeitung "Die Welt". Allerdings hätten sich aufgrund der Facebook-Fahndung des BKA Hinweise ergeben, dass sich das Trio zwischenzeitlich auch im sächsischen Glauchau aufgehalten haben soll, regelmäßig von Zwickau aus mit Mountainbikes (siehe Fahndungsfotos links und rechts / zum vergrößern bitte anklicken) dort hin geradelt sein soll. Aus diesem Grund seien jetzt die neuen Fotos des Trios und deren Mountainbikes veröffentlicht worden und die sächsische Landespolizei habe eine Postwurfsendung an alle Haushalte der 24.000-Einwohner-Stadt veranlasst. Glauchau liegt etwa fünfzehn Kilometer von Zwickau entfernt, dazwischen liegt ein großer Wald. Machten Mundlos und Böhnhardt hier Schießübungen?

5.) Planten die drei untergetauchten Neonazis für Ende 2011 einen radikalen Wechsel ihrer Lebensumstände? Wollten Mundlos und Böhnhardt und Zschäpe Zwickau oder sogar Deutschland verlassen? Dafür könnte sprechen, dass Mundlos und Böhnhardt im Oktober 2011 nach einer langen Pause wieder mit Überfällen auf Geldinstitute begannen. Außerdem hatten sie eine große Summe Bargeld im Wohnmobil, als sie am 4. November 2011 nach Eisenach fuhren, um dort die Wartburg-Sparkasse am Nordplatz zu überfallen. Waren beide, die zuvor 13 Jahre lang sehr umsichtig agierten, bereit, ein höheres Risiko als sonst einzugehen, weil sie ohnehin vorhatten, nach den Raubzügen von Zwickau wegzuziehen?

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang möglicherweise die Aussage einer anderen ehemaligen Nachbarin aus der Polenzstraße 2. Als diese dort eingezogen war, wohnte Zschäpe bereits in der Wohnung nebenan, zusammen mit "Max" und "Gerry". Die Frau sagte laut der "Süddeutschen Zeitung" aus, dass sie am 1. November 2011 Besuch von Lisa bekommen habe. Lisa habe sie regelmäßig besucht, am 1. November aber "auffällig ruhig und in sich gekehrt" gewirkt, gab die Frau zu Protokoll. Sonst hätte sie ihr zum Abschied einen kleinen Kuss auf die Wange gegeben. Am 1. November aber habe Lisa sie "bestimmt eine ganze Minute" an sich gedrückt und Tränen in den Augen gehabt. Als Lisa dann zum Taxi gegangen sei, sagte die Zeugin, habe sie sich "komischerweise" noch einmal von ihr verabschiedet. Das habe sie sonst nie gemacht, so die ehemalige Nachbarin gegenüber der Polizei.

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