Donnerstag, 28. November 2013

"Der 'NSU'-Prozess - 59. und 60. Tag": André Kapke als Zeuge vor Gericht - "Drei Freunde, die sich schon seit ewigen Zeiten kennen"


(schwarz und szabo) -
Am letzten Donnerstag und diesem Dienstag kamen im "NSU"-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht u. a. Campingfreunde von Uwe Mundlos (†), Uwe Böhnhardt (†) und Beate Zschäpe zu Wort. Vor allem überraschte aber Andre Kapke, lange Jahre Intimus des Terror-Trios, mit seiner Aussage am Donnerstag.

Der 59. Verhandlungstag am 21.11.2013:

Der 59. Tag des Prozesses hätte früh vorbei sein können. Jedenfalls wenn André Kapke, der als Zeuge vor Gericht geladen war, geschwiegen hätte. Dies hätte der 38-Jährige durchaus machen können, denn sein Zeugnisverweigerungsrecht schützt ihn ggf. auch davor, selbst angeklagt zu werden. Kapke ist nämlich ein Intimus der rechten Szene und vor allem von den beiden in München vor Gericht stehenden Angeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben.

Er war mit dem ebenfalls angeklagten Holger Gerlach und den beiden verstorbenen Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, sowie Wohlleben und Zschäpe, Mitglied der "Kameradschaft Jena" und später dann im Thüringer Heimatschutz. Und genau darüer berichtet der Zeuge. Er erzählt von Zeltlagern, Grillen und Ausflügen zum See, über Konzertbesuche und Demonstrationen. Kapke berichtet über die Polizei, die ihn einmal aus einem Auto gezerrt und ihm dann "eine Packung" verpasst habe. Auch als er über die Gewalt der Linken gegen ihn berichtet er, ohne dass ihn der Vorsitzende richter Manfred Götzl unterbricht. Auch als der Zeuge versucht darzustellen, dass immer die anderen "böse" gewesen seien, lässt Götzl ihn gewähren.

Nach Kapkes Monolog über die Dinge aus seiner Sicht befragt ihn derRichter aber trotzdem zum Wesentlichen und zwar dem Terror-Trio. Uwe Mundlos sei "charakterstark" gewesen, sagte Kapke, Uwe Böhnhardt "nicht dumm", jhabe edoch mit ein Faible für Waffen gehabt. Als Manfred Götzl die Gewaltbereitschaft der Trios hinterfragt, blickt Beate Zschäpe an die Decke. Doch konkret wird André Kapke an diesem Tag nicht, weshalb sich die Vernehmung zäh gestaltet. Immer wieder verwendet er ähnliche Phrasen und Verallgemeinerungen oder er erinnert sich nicht mehr. "Sie weichen schon wieder aus", mahnt Richter Gölzl mehrfach, was nur dazu führt, dass der zeige seine Erinnerungslücken variiert: "Ich habe die Gespräche nicht vor meinem inneren Auge", "Das ist mir nicht mehr erinnerlich", "Ich kann das nicht genau zuordnen" - drei typische Aussagen.

Aber je konkreter Götzl nachfragt, umso eher kommen Einlassungen von Kapke. Etwa als er etwa einräumt, mit Böhnhardt und Mundlos nach dem Untertauchen des Trios telefoniert zu haben. Wie oft er mit den Gesuchten telefoniert habe? Zwei bis fünfmal. Mit welchen der beiden Männer? Was war Thema? - Wieder hat der Zeuge Erinnerungslücken. Nur, dass er aur anrufbaren Telefonzellen gesprochen habe, das weiß er noch. INteressant wird es erst wieder, als ihn der Vorsitzende Richter auf den 4. November 2011 anspricht, dem tag, an dem Böhnhardt und Mundlos sich nach einem Banküberfall in einem Wohnmobil in Eisenach erschossen hatten. In früheren Vernehmungsprotokollen hatte Kapke noch angegeben, sich nicht mehr an den Tag erinnern zu können, fand aber offensichtlich inzwischen seine Erinnerung wieder. Dies jedoch nicht ganz  freiwillig, nachdem Ermittler ihm vorgehalten hatten, dass sein Handy damals kurz in derselben Funkzelle von Mundlos und Böhnhardt eingeklinkt war.

Kapke schilderte, dass er an diesem Tag tatsächlich kurz in der Nähe von Eisenach war, denn er habe an jenem Tag ein Auto gekauft. Daran könne er sich "nun" gut erinnern, sagte er. und eine Wendung gibt es auch in einer anderen Zusammenhang. Ja, sagte Kapke, er habe dem Trio Pässe besorgen sollen, Reisepässe. Die habe er dann auch bekommen - allerdings seien sie "leer" gewesen. André Kapke wollte sie, so sagte er aus, noch bebildern und ausfüllen lassen, doch seinen die Pässe verschwunden, aus einen Auto und zwar "obwohl keine Scheiben eingeschlagen" worden seien, wie er beteuert. Das Auto habe Tino Brandt gehört, dem Chef des "Thüringer Heimatschutzes" und zugleich V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Der habe ihm etwa 1.000 Mark für die Pässe zugesteckt, sagte Kapke udn belastet damit Brandt.

Gegen Ende der Vernehmung will Richter Götzl wissen, ob der Zeuge das Spiel "Pogromly" kennt. André Kapke bestätigte, dass er diese perverse Nazi-Adaption von "Monopoly" kennat innklusive SS und Konzentrationslager, das wahrscheinlich von Uwe Mundlos erfunden wurde. Die Flüchtigen haben über Mittelsmänner mit dem Verkauf des Spiels Geld machen wollen, bestätigte der Zeuge und gab zu, auch er habe einige Exemplare transportiert, von Ralf Wohlleben zu Tino Brandt, berichtet aber darüber so, als sei das Spiel an sich nichts Besonders gewesen. Einmal, so berichtet er, habe man ein Exemplar sogar einem englischen Reporter verkauft, der eine Dokumentation gedreht habe.

Am Ende der Befragung kündigte der Vorsitzende Richter an, dass später im Prozess die  Einvernahme Kapkes fortgesetzt werde, denn es gebe neue Akten der Bundesanwaltschaft. "Sie müssen nochmal wiederkommen", sagte der Richter zu Kapke und nannte den 20. Dezember 2013 als neuen Termin. Nach einer Pause erklärten die Anwälte von Beate Zschäpe, dass dieser "nicht wohl" sei; Götzl unetrbrach daraufhin die Sitzung und beendete danach sogar den 59. Verhandlungstag, da sich die Hauptangeklagte immer noch nicht besser fühlte.

Der 60. Verhandlungstag am 26.11.2013:

Die Zeugenvernehmungen am 60. Verhandlungstag dienten dem Versuch einer weiteren Annäherung an die drei Terroristen des "NSU". Zuerst sagte der frühere Hausmeister der Zwickauer "Frühlingsstraße 26" aus. Dieser berichtete dem Münchner Oberlandesgericht, wie sich, die von den Nachbarn "Diddl-Maus" genannte Beate Zschäpe im Hause verhielt. Nett, sei sie gewesen, freundlich, nicht ungewöhnlich. In einem Kellerraum habe sich regelmäßig eine Runde älterer Herren zusammengefunden zum Bier und zum Kartenspiel. Gelegentlich sei auch Zschäpe dabei gewesen, sagte der Zeuge aus, als einzige Frau in der Männerrunde; Sekt hätte sie getrunken und sie wäre gesellig gewesen.

Die beiden Männer des Trios seien allerdings wortkarg und ein wenig abweisend gewesen, hätten nur schlicht "Guten Tag und guten Weg" gewünscht, wenn sie ihre Fahrräder aus dem Keller holten oder sie zurückbrachten. Zschäpe habe hierzu erklärt, der eine sei ihr Freund, der andere dessen Bruder. Näheres über den Lebenswandel der Männer wollte Richter Götzl vom Zeugen wissen. Für einen Onkel hätten sie Autos überführt, sagte er. das habe Zschäpe erklärt und da sei allem klar gewesen, weshalb beide oft nicht zu Hause waren. Die Frau des Trios habe angegeben, sie arbeite am Computer. Worüber man sich unterhalten habe, drunten im Keller?, wollte der Vorsitzende noch wissen. "Über nichts Politisches", stellte der Hausmeister klar. Es sei eher um die Urlaube auf Fehmarn gegangen. Diese waren dann auch den übrigen 60. Verandlungstag über Theme im OLG München.

Dort traf sich das Trio unter den Namen "Max", "Gerry" und "Liese" zwischen 2007 und 2011 jeden Jahr mit einer Familie aus Hessisch Oldendorf, die ebenfalls seit Jahren auf dem dortigen Campingplatz "Wulfener Hals" einen Wohnwagen gemietet hatte. Was das denn kosten würde, fragte Richter Manfred Götzl die Zeugen und bekam zur Antwort, dass die Wohnwagen einen Tagesmietpreis von 100 bis 120 Euro hätten, das Campen auf Fehmarn also kein ganz billiges Vergnügen sei. Oft blieben Urlauber deshalb nur zwei Wochen; dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe immer gleich sechs Wochen auf Fehmarn waren, habe den anderen Campern gezeigt, dass "da Geld war", wie es ein Zeuge aussagte.

"Max, also Herr Mundlos", sagt der Familienvater aus Hessisch Oldendorf aus, sei öfters gekommen und habe gefragt, ob jemand mit "Gerry" und "Liese" Doppelkopf spielen wolle. "Wir unterhielten uns viel über die ehemalige DDR und die chaotische Wendezeit", sagte er. Heute sei ihm klar, berichtete er dem Oberlandegericht, "wie wenig wir tatsächlich wussten." Aber eines sei klar gewesen, berichtete r weiter: Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe traten im Urlaub auf wie "drei Freunde, die sich schon seit ewigen Zeiten kennen. Ein eingespieltesTeam".
Die Ehefrau des Zeugen sagte später aus, dass es innerhalb des Trios "gleichberechtigt" zugegangen wäre. Aufgefallen sei nur "Gerry"/Uwe Böhnhardt und zwar wegen seiner Tätowierungen. Weshalb? "Na ja, weil die so was Gruseliges hatten an Oberschenkel und Schulter, einen Totenkopf und einen Stahlhelm". Und was fiel an Beate Zschäpe auf? "Frau Zschäpe war die Hauswirtschafterin", erinnerte sich die Ehefrau des Zeugen. Sie habe die Wäsche gewaschen, den Salat geputzt, Schaschlik gesteckt. "Max"/Uwe Mundlos sei dagegen "der Sportliche" gewesen. "Gerry" sei handwerklich begabt gewesen, habe sich als Kurierfahrer vorgestellt; sein Vater habe einen Paketzustelldienst, habe er erzählt, und er arbeite dort. "Max" wiederum erzählte von seinem Vater, einem Informatik-Professor, und dass er mit "Liese" zusammen in die Schule gegangen sei. "Und Frau Zschäpe, die war für das Ged zuständig", habe im Geldbeutel stets 400 bis 500 Euro zur Verfügung gehabt: die Urlaubskasse.
Eine Zwischenfrage von Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl befasste sich mit dem Begriff des "Geld verwaltens". Wann das bemerkt worden sei und bei welchen Gelegenheiten? Woraus man darauf schließen konnte? Allerdings seiten beide Zeugen aus, dass klar gewesen sei, dass "Liese" eine "Gruppenkasse" verwaltete; eigenverantwortlich.
Eine andere Zeugin vom Campingplatz erkolärte, sie sei geschockt gewesen, als sie später Fotos der drei Terroristen gesehen habe. Sie sei deshalb sofort zur Polizei gefahren, die "mit uns noch gar nichts anfangen konnte", damasl Ende 2011. Eine weitere Familie mit zwei damals 13 und 15 Jahre alten Töchtern machte ähnliche Erfahrungen mit den Dreien im Urlaub. "Die Mädchen verstanden sich vor allem gut mit Liese und redeten mit ihr übers Erwachsenwerden", sagte die Mutter.
Am Ende wurden alle bei Gericht noch einmal hellhörig. Auf eine Frage von Opferanwalt Thomas Bliwier berichtet die Mutter, "Gerry" habe einem der Mädchen einmal erklärt, wie man eine Bombe bastele, aber er habe wohl einen Spaß dabei gemacht, hätten alle damals gedacht.

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