Donnerstag, 18. Juli 2013

"NSU" - Der Prozess # 26: Prozesstag 24 vor dem OLG München - Was genau sagte Holger Gerlach und wie wurde es protokolliert?



(schwarz und szabo) - Im "NSU"-Prozess springt das Gericht weiter scheinbar willkürlich zwischen einzelnen Anklagepunkten hin und her, was am Ende des 24. Verhandlungstages vor Gericht zu Kritik aus den Reihen der Nebenkläger führte.

Die Struktur und Nachvollziehbarkeit der Beweisaufnahme sei gefährdet, brachte Nebenklage-Anwalt Alexander Kienzle vor. Mehrere Morde der "NSU"-Terroristen werden derzeit parallel verhandelt, außerdem weitere Tatkomplexe wie die Brandstiftung in der Zwickauer Wohnung der Gruppe. Kienzle beantragte, die Zeugen künftig nach der "sachlogischen Reihenfolge" zu laden. Richter Manfred Götzl reagierte schroff und fragte den Anwalt: "Haben sie schon mal an den Urlaub von verschiedenen Zeugen gedacht? Wir kämpfen mit praktischen Schwierigkeiten." Doch Journalisten vermuten in dem Wirrwarr sogar ein System des Vorsitzenden Richters, denn langsam zieht sich das Netz um die Angeklagten Ralf Wohlleben und Beate Zschäpe enger, während es sich um Holger Gerlach und Carsten Sch*ltz* lockert.

Vorgestern wurde die Angeklagte durch die Aussagen von Gerlach - bestätigt durch einen BKA-Beamten, der bei allen Vernehmungen des Angeklagten dabei war - schwer belastet, was ihre Rolle im Gefüge des "NSU" anging. Sie sei ein "starke Frau" gewesen, die die Finanzen der Trios "fest im Griff" gehabt habe und bei wichtigen Ereignissen, wie der Waffenübergabe von Gerlach an das Trio, stets dabei gewesen. Welche Waffe Gerlach nach Zwickau gebrach tahtte, konnte allerdings nicht mit Bestimmtheit gesagt oder festgestellt werden, weshalb dieser auch nicht wegen Beihilfe zum Mord angeklagt ist.

Ähnliches geschah zuvor bei Carsten Sch*ltz*. Zwar hatte der im Auftrag von Wohlleben eine Ceska-Pistole nach Zickau gebracht, aber ob es genau die Waffe war, mit der neun Migranten erschossen worden war, konnte vor Gericht nicht erschöpfend geklärt werden, weshalb Sch*ltz* mit einer milderen Strafe davon kommen könnte, als zunächst gedacht.

Gestern  hatte die Verteidigung Beate Zschäpes Gelegenheit, den BKA-Beamten zu befragen, der den Hauptbelastungszeugen Holger Gerlach insgesamt fünfmal befragt und darüber Protokoll geführt hatte. Dabei kam es zu hartnäckigen Nachfragen zu Detail von Gerlachs Aussagen, die den Beamten teilweise verwirrten.

"Allgemein wundern wir uns etwas. Die Vernehmungen erscheinen zeitlich relativ lang, die Protokollierung ist relativ kurz", konfrontierte zum Beispiel Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer (Foto) den Ermittler, der Gerlach damals befragte und dies im Anschluss schriftlich zusammenfasste, mit dem Protokoll. Der Kriminalbeamte im Zeugenstand reagiert irritiert und fühlte sich angegriffen. Ob man ihm unterstellen würde, die Protokolle nicht richtig geführt zu haben, fragt er. Zschäpes Anwalt widersprach und sagte, die Verteidigung habe nur "viele Fragen".

Die Fragen der Verteidigung ergaben aber zumindest, dass der Beamte die Aussagen von Holger Gerlach nicht wortwörtlich protokolliert hatte: "Wenn ich wortwörtlich protokolliere, dann gibt's ein Protokoll, das so durcheinander ist, dass ich damit nichts anfangen kann." Indirekt räumte er auch ein, dass es bei den protokollieren Zeitangaben Unstimmigkeit geben könnte, als er sagte: "Mit den Zeiten hat der Herr Gerlach eh immer seine Probleme gehabt." Herr setzt aber immer wieder nach, fast wie in einem Schachspiel, sagt mehrfach "Herr Zeuge, erinnern Sie sich bitte!" Und er fragt ein Detail nach dem anderen ab: Wie genau das Protokoll zustande kam? Wer Gerlach über seine Rechte belehrt habe? Wer den Vernehmungsraum ausgesucht habe, "...oder ist er zugewiesen worden?" Wann zum ersten Mal über die Kronzeugenregelung gesprochen wurde? Ob und was Holger Gerlach für dessen Aussagen versprochen worden sei?

Irgendwann reicht es dem Polizisten an diesem 24. Prozesstag, er fühlt sich provoziert und ihm rutscht der Satz heraus "Das Ergebnis gibt uns schon recht." Heer reagiert sofort und fragt nach, welches Ergebnis er meinen würde. "Meinen Sie mit Ergebnis, dass es nun zu einem Gerichtsverfahren gegen meine Mandantin gekommen ist", fragte er nach. "Nein", antwortete der Beamte. In diesem Moment schritt Richter Manfred Götzl ein und qualifizierte dies als Suggestivfrage der Verteidigung.

Heer machte aber weiter mit seinen Formulierungen, die nicht immer schlüssig zu durchschauen waren, bis auch die Bundesanwaltschaft eine Frage der Fragen Heers rügte. Der Anwalt hakte trotzdem nach und fragte, an wen Gerlach den Reisepass übergeben hatte. An "die Drei" sei ihm zu unpräzise, sagte Heer und fragte, ob der Angeklagte sich nicht in Wirklichkeit präziser ausgedrückt habe. An was er sich erinnern könne, wollte Heer von den Beamten wissen und der antwortet ihm: "Ich glaube, es war an Zschäpe."

An dieser Stelle gab Heer dann den "Kampf um die Wahrheit", wie er es zuvor vor der Presse genannt hatte,  gegen den BKA-Beamten vorerst auf.

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