Freitag, 31. Mai 2013

"Weil nicht sein darf, was nicht sein kann!": Anklage gegen Lothar König stürzt in sich zusammen - SPIEGEL.Online berichtet über den Prozess gegen den Jugendpfarrer


(lsn / spiegel / tim schwarz) - Kann es möglich sein, dass ein, ganz offensichtlich unbelehrbarer Mann, geziert von einem revolutionär anmutenden Rauschebart, am Steuer eines mit einem Kameraturm und Lautsprechern ausgerüsteten Kleintransporter sitzend - um ihn herum zum Teil vermummte Menschen - nichts anderes im Sinn haben kann, als seinem grundgesetzlichen Recht auf Demonstrationsfreiheit nachzukommen? Oder wird er, muss er ganz einfach, Rechtsverstöße begehen? Wird er die "Massen" zum Landfriedensbruch aufwiegeln, wird er Straftäter schützen, zum Kampf gegen die Polizei aufhetzen und die Staatsmacht nötigen?

Der geschilderte Mann war am 19. Februar 2011 in Dresden, fuhr mit dem beschriebenen Kleintransporter durch die Elbestadt...und machte dabei einen schweren Fehler. Er besichtigte NICHT die Semperoper, den Zwinger oder die Frauenkirche, sondern begleitete Menschen bei einer Demonstration gegen einen Nazi-Aufmarsch. Während dieser von der Staatsmacht "beschützt" wurde, entlud sich deren ganze Staatsgewalt gegen den Mann mit dem Rauschebart...weil nicht sein darf, was nicht sein kann.

Am 10. August 2011 durchsuchte die sächsische Staatsmacht im benachbarten Freistaat die Kirchen- und Wohnräume des Jenaer Pfarrers Lothar König (= das ist der ganz offensichtlich unbelehrbare Mann mit dem revolutionär anmutenden Rauschebart), konfiszierte Akten, Computer, seinen blauen Kleintransporter und andere Gegenstände - aber das, was sie vor allem suchte, fand sie nicht: das vom Dach des Kleintransporters am 19. Februar 2011 gedrehte Video.

Wie wichtig es für König wurde, zeigte sich in der Dresdner Gerichtsverhandlung gegen ihn. Zwar hatten sechs Wochen NACH der Hausdurchsuchung in Jena überraschend viele Polizeibeamte überraschend identische Zusatzberichte angefertigt, aber diese waren (weil man Königs Video nicht kannte?) verräterisch dilettantisch abgefasst. Aus Königs Kleintransporter habe es eine Lautsprecherdurchsage gegeben in der Art "Deckt die Bullen mit Steinen zu!". Musik? Nein, die habe man nicht gehört. Sofort hätte man den Polizeikonvoi gewendet und schon habe "eine riesige Masse" an Demonstranten dem Aufruf Folge geleistet und Steine auf die Polizeifahrzeuge geworfen, was die Polizeibeamten bei Leib und Leben gefährdet habe.

SPIEGEL.Online berichtet: Am 23. März 2011 - 32 Tage nach den heftigen Ausschreitungen bei der Demonstration in Dresden - gab Mannschaftsführer E. zu Protokoll: 'Eine nicht feststellbare Person forderte die Menschenmenge über Lautsprecher oder Megafon auf, die Polizeifahrzeuge anzugreifen. Im gleichen Atemzug wurden die Fahrzeuge mit Steinen und Flaschen beworfen.' Am 21. September 2011 allerdings - 214 Tage nach der Anti-Nazi-Demonstration - waren die Erinnerungen des Polizeibeamten wesentlich konkreter als kurz nach den Vorfällen. 'Ich kann auch ausschließen, dass es über ein Megafon kam, da ich in unmittelbarer Nähe des Lautsprecherwagens stand und Ansagen über Megafon völlig anders klingen und auch nicht so laut.'

Nun zeigen die drei Videos der Verteidigung Königs (eines ist das Video vom Lautsprecherwagen, eines stammt von Youtube und das dritte ist das offiztielle Polizeivideo und damit Beweismittel der Staatsanwaltschaft Dresden) ein anderes Bild. Der Wagen Königs fährt am Konvoi vorbei über eine Elbbrücke, es ist laute Musik und KEINE Durchsage zu hören. Erst als er die Brücke.schon fast überquert hat, wenden die Polizeifahrzeuge, Ein Demonstrant ist zu sehen, wie er einen Stein auf die Fahrzeuge wirft und eine Scheibe geht dabei zu Bruch. Auch im Polizeifunk des von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Videos ist nur von diesem einen Schaden zu hören. Vor allem ist NICHT zu hören, dass im Funk berichtet wird: "Da hat eben jemand die Massen aufgewiegelt."

Auch der Nötigungsvorgang Königs, der Polizeifahrzeuge abgedrängt haben soll, ist gegenstandslos, da man nun sieht, wie König sein Fahrzeug abbremst, damit die Polizeifahrzeuge vor ihm eine Kreuzung überqueren können. Bleibt noch der Vorwurf, König habe einen Steinewerfer geschützt. Der soll sich damals auf der Flucht vor der Polizei in den Kleintransporter geflüchtet haben.

SPIEGEL.Online: Ein zweites Video, das ebenfalls im Gerichtssaal gezeigt wurde, zeigt hingegen, wie ein Steinewerfer sich am fahrenden Transporter festhält, während mehrere Polizisten den Wagen verfolgen. Später schlägt einer der Polizisten mit dem Schlagstock auf den Verdächtigen ein, trifft ihn in der Nähe des Kopfes und reißt ihn vom fahrenden Wagen fort. - Erst danach beschleunigt Königs Fahrzeug. Davon, dass der Steinewerfer aus dem Fahrzeug geholt und danach verhaftet wurde, kann überhaupt keine Rede sein.

Lothar Königs Verteidiger Eisenberg wertet die Festnahmeszene sogar als "Straftat im Amt". Es sei "geprügelt, aber nicht gesprochen worden", kritisiert der Rechtsanwalt. Dafür hätten die Polizisten zur Rechenschaft gezogen werden müssen, nicht Lothar König. Sein Mandant habe an keiner Stelle versucht, jemanden vor der Polizei zu decken.

Unter dem Titel "Es wird gelogen, gelogen, gelogen" berichtete SPIEGEL.Online diese Woche über den Prozess gegen Jugendpfarrer König. Im Rahmen des Artikels kann man sich auch die beschriebenen Videos ansehen.

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