Samstag, 18. Mai 2013

"NSU" - Der Prozess # 06: Eine erste Bestandsaufnahme nach vier Verhandlungstagen vor dem OLG München



(tim schwarz) - Nun ist der Anfang gemacht im "NSU"-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht. In den vier vergangenen Verhandlungstagen ist es - allen Verzögerungsversuchen der Verteidigung zum Trotz - dem OLG gelungen, das Verfahren unter den gegebenen Umständen zu führen und in eine gewisse Struktur zu bringen.

Zu Anfang sammelte der Vorsitzende Richter Götzl die Befangenheitsanträge gegen ihn und das Gericht ein, am zweiten Verhandlungstag wurden Anträge der Zschäpe- und Wohlleben-Verteidiger entgegengenommen, das Verfahren aus den verschiedensten Gründen auszusetzen und dazu noch Rügen an der Besetzung des Gerichts. Zudem wurde die Anklage verlesen.

Der dritte Tag war geprägt davon, dass klar wurde, dass all diese Anträge und Rügen verworfen wurden; zudem spielten sich die Wortgefechte zwischen der Verteidigung und Götzl ein, obwohl es Probleme mit den einzelnen Mikrofonen gab. Auch letzteres löste Götzl souverän, ließ umgehend einen Techniker kommen. Auf den Seiten der Verteidigung sowie der zahlreichen Nebenkläger zeichneten sich in den ersten Tagen zudem Wortführer ab. Bei der Nebenklage sind es Edith Lunnebach, Thomas Bliwier, Sebastian Scharmer und Eberhard Reinecke; vor allem Reinecke überraschte dadurch, dass es sich stets lohnt, ihm zuzuhören. Auch Götzl bemerkte dies.

Bei der Verteidigung Beate Zschäpes wechseln sich Sturm, Stahl und Heer in Intuitionen und Auftreten ab. Obwohl die britische Zeitung "The Guardian" deren Namen für die Leser auf der Insel mit "storm", "steel" und "army" übersetzte, erscheinen alle drei frei von rechtsextremem Gedanken. Anders bei Ralf Wohllebens Unterstützern. Dass ihn seine Verteidigerin Nicole Schneiders schon aus alten "NPD"-Tagen in Thüringen her kennt, merkt man nicht erst seit deren herzlicher Begrüßung an jedem Verhandlungstag. Die Juristin ist "NPD"-Mitglied und fest in der rechten Szene verankert und so wunderte es nicht, dass es Schneiders war, die Stimmung machte, als sie die Einstellung des Verfahrens forderte, da sie ihren Mandanten u. a. schon deshalb vorverurteilt sieht, weil es bereits staatliche Entschädigungszahlungen an die Opfer gegeben habe. Das empörte nicht nur die Riege der Nebenkläger.

Während Wohlleben gelassen scheint, wurde Zschäpe über die vier Verhandlungstage zunehmend nervöser, forderte ihre Anwälte auch schon mal zum persönliche Gespräch, worauf diese anschließend erleichtert verkündeten, die Angeklagte wolle "nicht" aussagen. Dies scheint das Damoklesschwert über der Verteidigung der Angeklagten aus Jena zu sein: wird sie durch- und vor allem den Mund halten? Jetzt, da in wenigen Tagen die alten Weggefährten Holger "Gerri" Gerlach und Carsten Sch*ltz* aussagen? André Em*ng*r wird sich nicht äußern, die Anwälte Ralf Wohllebens wollen dagegen eine Verteidigererklärung abgeben. Angenommen wird, dass sie darauf bestehen werden, dass Gerlach und Sch*ltz* - aus Sicht von Wohlleben wohl "Verräter" - diesem bei ihren Aussagen von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen sollen. Dies hätte aber letzten Endes der Vorsitzende Richter zu entscheiden.

Götzl hat derweil am vierten Verhandlungstag entscheiden, dass es im Prozess eine Art "Pfingstpause" gibt, in der die Anwälte der Verteidigung Akten des "NSU"-Untersuchungsausschusses des Bundestages lesen können/wollen/dürfen. Übrigens gibt es in Thüringen einen ähnlichen Ausschuss, weshalb einer der nächsten Anträge der Zschäpe-Verteidigung wohl in diese Richtung gehen wird: auch deren Akten liegen den Anwälten bisher noch nicht vor.

Ob es dazu kommt, wird man am 4. Juni 2013 sehen, wenn der Prozess in München fortgesetzt wird.

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