Donnerstag, 23. Mai 2013

"Als die DDR ihre Jenaer Gegner ausbürgerte!": Nächste Woche gibt es in der Rathausdiele eine Podiumsdiskussion mit Roland Jahn zur Aktion "Gegenschlag"!


(lsn / rana) - Roland Jahn, 1953 in Jena geboren (Foto), gehörte zu den Kritikern des SED-Regimes und protestierte unter anderem 1976 gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann. Dies kostete ihn seinen Studienplatz an der Jenaer FSU, wo er Wirtschaftswissenschaften studierte.

1977 trug er in Jena auf der staatlichen Demonstration zum 1. Mai statt der erwarteten Banner mit DDR-Pflichtparolen ein leeres weißes Plakat, stellte sich später, erneut bei der Jenaer Feier zum "Tag der Arbeit" mit einer Doppelmaske als Hitler/Stalin neben die Bezirksleitung der SED. Lange versuchte man ihn wegen solcher Taten einzuschüchtern oder zu bestrafen, was aber nicht wirklich gelang. 1982 wurde er dann wegen einer Bagatelle verhaftet - Jahn hatte an seinem Fahrrad ein kleines Fähnlein mit dem Schriftzug der polnischen Gewerkschaft "Solidarnosc" angebracht - und dafür zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt. Heute ist er Leiter der Stasiunterlagenbehörde BStU.

An die Aktion "Gegenschlag" der Staatssicherheit gegen die Jenaer Opposition erinnern soll eine Podiumsdiskussion am Freitag, den 31. Mai 2013 um 19 Uhr in der Rathausdiele. Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter wird die Diskussion eröffnen. Im Podium sitzen neben Roland Jahn auch noch Dorothea Fischer (Mitglied der Friedensgemeinschaft Jena und 1983 ausgebürgert), Frank Rub (Mitglied der Friedensgemeinschaft und 1985 ausgereist) sowie Lutz Rathenow (Schriftsteller und Kontaktperson zu West-Medien). Der Autor Udo Scheer wird eine Einführung in die Geschehnisse geben. Bereits 17 Uhr beginnt an der Jungen Gemeinde Stadtmitte, Johannisstraße 14, ein Stadtspaziergang zu historischen Orten. Zeitzeugen werden dabei von Verfolgung und Widerstand berichten.

Am 19. Mai 1983 protestierten unabhängige Friedensaktivisten in Jena anlässlich des Pfingsttreffens der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Gera mit eigenen Plakaten. Es war das zweite Mal in wenigen Wochen, dass sie mit eigenen Sprüchen gegen die Aufrüstung in der DDR protestierten. Die Stasi hatte kurz zuvor die Aktion "Gegenschlag" gestartet, einen Plan zur Zerschlagung der Gruppierung. Zermürbt vom jahrelangen Kampf für das Recht auf Redefreiheit und Selbstbestimmung hatten viele Jenaer Oppositionelle Ausreiseanträge gestellt. Für 40 von ihnen macht die Stadtverwaltung binnen 48 Stunden nach der Demonstration eine Ausreise möglich.

Die Aktion war minutiös geplant, pausenlose Beobachtung der Aktivisten, der Einsatz von Spitzeln, aber auch die Kooperation durch Stadtverwaltung, Transport und Polizei gehörten dazu. Die Aktion "Gegenschlag" zeigt nicht nur, wie eine Stadt sich ihrer kritischen Jugend entledigte, sondern auch, wie die SED-Diktatur auf lokaler Ebene funktionierte.

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