Montag, 7. Januar 2013

"Ich will nicht ein Stück Musik machen, so wie man ein Lied schreibt. Bei mir dauert das." - Ein Gespräch mit Rainer Sauer (Teil 3/4)


(lsn) - [ Fortsetzung von Teil 2 ] Elektromusik ist nicht gleich Elektromusik und einen Synthesizer zum Klingen zu bringen reicht heute nicht mehr aus, um Fans der Elektromusik zum Kauf von Tonträgern oder zum Download von Alben zu bewegen. Barbara Nowak sprach mit Rainer Sauer über seine Musik, seine Kontakte, seine Pläne und Wünsche im neuen Jahr. 

BN: Haben Brian Enos Ideen Ihnen irgendwie geholfen bei der Arbeit an den neuen Alben?

RS: Es ist Jahre her, seit ich sein fantastisches Buch "A Year With Swollen Appendices" (links rot eingekreist in Sauers Arbeitszimmer) zum ersten Mal las, aber ich kann auch heute noch aus ihm schöpfen, um mir philosophische Gedanken um Musik und Kunst zu machen. Es wirft nicht nur Licht auf Brian Enos musikalische Evolution, sondern gibt einem auch Auskunft über klangtechnisch wichtige Dinge. Interessanterweise gibt es ja in seiner und in meiner Biografie die eine oder andere Parallele. Er berichtet, dass ihn Steve Reichs bahnbrechendes Tonbandmusikstück "It 's Gonna Rain" von 1965 sehr beeinflusst hat und bei mir war es Steve Reichs Stück "Six Pianos" von 1973, das im Übrigen auch Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, dessen Webseite ich heute betreibe, einst zur "Minimal Musik" geführt hatte.

BN: Was macht "Minimal Musik" aus?
 
RS: In der "Minimal Musik" findet man Einflüsse aus indo-asiatischer und afrikanischer Musik. Sie ist polyrhythmisch und ignoriert, wie ja auch in Teilen der Jazz-Musik, weitgehend die Konventionen des Komponierens, wie sie sich in Europa und Amerika in den letzten Jahrhunderten etabliert haben. Ob sie auf die serielle Musik des 20. Jahrhunderts eingeht, in Form einer Weiterentwicklung, vermag ich als nicht-studierter Musiker nicht zu sagen. Auf jeden Fall ist die "Minimal Musik" noch immer ein Teil der modernen ernsten Musik.

BN: Wie hat "Six Pianos" Sie beeinflusst?

RS: Es war einer der wichtigsten Teile meiner Musikentwicklung. Die ganze Idee der Polyrhythmic bei meiner Arbeit mit Synthesizer-Sequenzern kam aus diesem Stück. Ob man die Phrasen, wie bei Steve Reich, von versierten Musikern auf sechs Pianos spielen lässt oder von einer elektronischen Maschine macht dabei keinen Unterschied. Wichtig ist: der Akt des Zuhörens ist gleichzeitig auch der Akt des Komponierens. Wenn man sich die ebenso simplen wie in ihrer Auswirkung komplizierten Verlagerungen von Ton- und Klangmustern in "Six Pianos" anhört, dann lernt man, dass Veränderungen in der Musik auch fließend sein können und nicht abrupt. Diese Erkenntnis hat mich 1974,als ich das Stück zum ersten Mal hörte, sehr beeindruckt. Auch, dass man als Komponist durchaus, wie in diesem Fall, sechs Leute ihre Arbeit machen lassen kann und dann alles an einem Mischpult ineinander und wieder auseinander mischt. Wie unterschiedlich ist doch diese Komponisten-Rolle von der alten romantischen Idee, dass der Komponist eine Partitur schreibt und ein Orchester oder Band sie dann umsetzt. Oft genieße ich diese passive Seite des Komponierens und lasse die Dinge einfach auf mich zukommen. Für mein neues Album "Moods" habe ich Reichs Idee in die Neuzeit verschoben und das Stück "Six iPhones" aufgenommen.

BN: Wie kann muss man sich dieses Stück vorstellen? Klingeln da unentwegt Telefone?

RS: (lacht) Natürlich nicht. Als vollwertiges Musikinstrument kann das iPhone ja mehr als nur zu klingeln. Ich habe hierbei ein Synthesizerprogramm genommen und polyrhythmische Sequenzen programmiert und die auf sechs iPhones gleichzeitig laufen lassen. Aufgenommen habe ich das dann auf meinem digitalen Tascam 8-Spur Rekorder und am Ende im Studio gegeneinander abgemischt, wie bei "Six Pianos". Es sind zwar nur sechs iPhones, aber es klingt nun nach viel mehr. Brian Eno sagte ja auch, dass es nicht die Anzahl der Musikinstrumente ist, die einen Gesamtklang ausmachen, sondern das, was im Kopf des Zuhörer passiert. Alleine im Kopf der Zuhörers entsteht die Klanglandschaft, der Klangeindruck.  

BN: Wann wird "Moods" erscheinen?

RS: Es ist vorgesehen, dass das Album kurz nach der Sommerpause erscheint, als erstes der "S"-Trilogie.

 
BN: Und weshalb nahmen sie hierfür sechs iPhones und nicht sechs "große" Synthesizer?

RS: Das ist wirklich eine gute Frage und ich kann da nur sagen: ich entscheide dies aus dem Bauch heraus, also mit Gefühl. Durch meine 4-KLANG Konzerte, mit vier mehr oder weniger unterschiedlichen Elektromusikteilen, bin ich ja ohnehin gezwungen, oft Entscheidungen zu treffen. Aber in meiner Musik gibt es die "großen" Synthesizer ebenso wie die kleinen. Alles hat seine Berechtigung auf seine Weise. Für Musikinstallationen z. B. nehme ich wiederum ganz andere Geräte als bei Konzerten. Im Sommer gibt es ja die "2013 ODYSSEE - 4-Klang Installationen" und da lasse ich verschiedene Klangerzeuger aktive Musik und Klänge erfinden.


[Der letzte Teil der Interviews folgt im Februar 2013 hier in den Lichtstadt.News]

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