Montag, 26. November 2012

"Ich will nicht ein Stück Musik machen, so wie man ein Lied schreibt. Bei mir dauert das." - Ein Gespräch mit Rainer Sauer (Teil 1/4)

(lsn) - Elektromusik ist nicht gleich Elektromusik und einen Synthesizer zum Klingen zu bringen reicht heute nicht mehr aus, um Fans der Elektromusik zum Kauf von Tonträgern oder zum Download von Alben zu bewegen. Das weiß auch Rainer Sauer, seit mehr als zwanzig Jahren in der Lichtstadt zuhause, früher im Westen Deutschlands erfolgreicher Elektronik-Rock Musiker mit seiner Band VELVET UNIVERSE und ein bekannter Radiomoderator, heute deutschlandweit einer der renomiertesten Künstler in seinem Genre.

Das mit dem Radio hat er nach Jena exportiert, ist nach wie vor im Trägerverein des Offenen Hörfunkkanals Jena (dessen stellvertretender Vorsitzender er lange Jahre war) und wurde schon 2001 mit dem TLM Hörfunkpreis für die beste Radiosendung Thüringens ausgezeichnet.

Ab und an macht er auch heute noch "Musik aus den ewigen Schaltkreisen", wie er sie nennt, entwickelt mit andern Musikern elektronische Klänge am von ihm geründeten "Oskar Sala Institut für Klangforschung", produziert nach wie vor Künstler (1985 entdeckte Rainer Sauer die Band CAMOUFLAGE) oder bastelt an neuen Vermarktungskonzepten. 54 Jahre ist der studierte Diplom-Verwaltungswirt alt und macht bereits seit 38 Jahren Musik in der bundesdeutschen Elektromusik- Szene und die ist nicht irgendeine, sondern hat weltweit immer noch Einfluss und Reputation.

Aber wie schafft man es, die neuen Fans ebenso wie die treuen, mit KRAFTWERK und TANGERINE DREAM erwachsen gewordenen Kenner und Sammler gleichermaßen zufriedenzustellen, und am Ende auf einem in alle Richtungen expandierenden Markt auch noch Profit zu erwirtschaften? Barbara Nowak sprach mit Rainer Sauer über seine Musik, seine Kontakte, seine Pläne und Wünsche.


BN: Vorletztes Jahr haben Sie Musik produziert, letztes Jahr bei "Switched-On-Kabarett" Synthesizermusik und literarisches Kabarett miteinander verschmolzen, dieses Jahr ist es Ambient Music, was Sie machen. Viele Experten sagen, so etwas funktioniere nicht, man müsse sich Erfolg mit einem Langzeitkonzept erarbeiten.

RS: Zeigen Sie irgendwo auf der Welt ein Bild von einem Synthesizer, einem Keyboard herum und schnell wird jemand sagen: Ich weiß, was das ist. Aber das beschreibt ja nicht die hundert verschiedenen Stilrichtungen, die es in der Elektromusik gibt. Also muss man herausfinden, was funktioniert und was nicht. Seit ich finanziell unabhängig bin, probiere ich die unterschiedlichsten Dinge aus.

BN: Jetzt ist es "Ambient Music", eine Stilrichtung, die Brian Eno erfunden hat, Anfang der 1970er Jahre, zu einer Zeit, als Sie anfingen eigene Musik zu machen.

RS: Ja, aber ich war damals zu jung und hatte das Geld nicht, um mir eigene Synthesizer zu kaufen. Damals war es mein Ziel, mit Synthesizermusik Geld zu verdienen und unabhängig zu werden. In dieser Zeit wäre die "Ambient Music" daher nichts für mich gewesen, was ich mit Leidenschaft gemacht hätte. Heute ist es aber genau das geworden, heute habe ich zudem die Kontakte, z. B. mit Musikern aus England zusammenzuarbeiten. Und es gibt jeden Tag immer phantastischere Musikinstrumente für meine Musik.

BN: Wie das iPad, das Sie jetzt des öfteren für ihre Musik benutzen?

RS: Das ist eines dieser Musikinstrumente. Das iPad ist in der Tat, genauso wie das iPhone, ein hervorragendes Musikinstrument, mit dem man viel machen kann. Aber nur dann, wenn man als Nutzer weiß, was man damit machen will und wie man es machen muss und die Grundprinzipien der Klangerzeugung kennt. Nicht jeder, der sich ein iPad kauft und die nötige Software, ist dadurch auch gleich ein Künstler (siehe hierzu auch das Video oben!).

BN: Was macht Ihrer Meinung nach einen Künstler aus?

RS: Auch bei der Elektromusik kommt "Kunst" von "Können", wie es ja allgemein in der Msik der Fall ist. Nehmen sie einmal ein Klavier. Wenn Sie oder ich uns daran setzen und versuchen etwas zu pielen, dann ist das tatsächlich ein Spiel. Wenn es dagegen jemand wie etwa Daniil Trifonov macht, dann kommt dabei Kunst heraus. Ein Gerät auspacken, ein paar Tasten drücken, Krach zu erzeugen oder Schönklang, ist einfach. Aber schnell kommt man an die Grenzen und fragt sich "Was will ich damit machen?" und dann legt man so ein Gerät wieder weg und das war's dann gewesen. Die Künstler, die ich kenne und die mir etwas bedeuten sind oder waren lange im Geschäft, haben Dinge erfunden, herausgefunden oder entwickelt und vor allem viel Zeit in ihre Kunst, in die Musik gesteckt. Ich halte es da mit Conny Plank, der einmal sagte, mehr als die Hälfte von dem, was er im Studio mache, sei verlorene Zeit, sei Mist, den er später wegwerfe. Aber oftmals entsteht die Schönheit eines Klangbildes genau aus dieser Zeitverschwendung. Auch bei mir ist das Inspiration, eine Art Meditationsprozess. Ich will nicht ein Stück Musik machen, so wie man ein Lied schreibt. Bei mir dauert das.

BN: Sie veröffentlichen und spielen nicht oft heutzutage.

RS: Das brauche ich auch nicht, denn ich habe einen Hauptberuf, der mich sehr ausfüllt, und die wenige Zeit, die ich für's Musikmachen habe, gekoppelt mit meinem Zeitanspruch daran, führt zu diesen relativ langen Zeitabständen, in denen ich spiele oder Musik publiziere.

BN: Und was ist mit Ihren Kontakten zu anderen Musikern? Finden die auch nur sporadisch statt?

RS: Das Pflegen von Kontakten hat zum Glück kein Zeitlimit. Und da ich immer wieder anspruchsvolle Radioprojekte realisiere oder realisieren helfe, unterliegen die Kontakte regelmäßiger Auffrischung.

BN: Was machen Sie derzeit?

RS: Im Moment arbeite ich sowohl für mich selbst als auch für das Radio. Für mich selbst entsteht eine Album-Trilogie mit Veröffentlichungen in den nächsten drei Jahren und für ZONO Radio Jena arbeite an einer vierstündigen Radiosendung über Conny Plank, einen der innovativsten Musikproduzenten, den Deutschland je hatte. Er ist verantwortlich, dass es das Genre des "Krautrock" gibt und produzierte von Kraftwerk über Brian Eno, Ultravox oder die Eurythmics viele andere Künstler und Bands. Vor genau 25 Jahren ist er gestorben und ich bin derzeit mit seinem Sohn daran, sein Leben und sein Werk ein Stück weg aufzuarbeiten. Ende Dezember 2012 gibt es die Radiosendung dazu.

[Fortsetzung folgt im Dezember 2012 hier in den Lichtstadt.News"]

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