Dienstag, 17. Juli 2012

"30719" ...oder: Wie Isserstedt dank Dr. Freimut Börngen zu einem eigenen Planetoiden kam

(lsn / börngen) - Mit bloßem Augen kann man ihn nicht sehen, den Planetoiden "30719", der seit Kurzem auf den Namen "Isserstedt" getauft wurde. Initiiert hat dies Dr. Freimut Börngen, der seinerzeit bei der Entdeckung des Planetoiden mithalf.

Zwischen Mars und Jupiter gibt es eine Vielzahl von sog. Planetoiden, die unsere Sonne auf elliptischen Bahnen umkreisen. Möglicherweise sind es die Überreste eine einstigen Planeten, der in abertausende großer Trümmer zerfiel, die sich aber immer noch in einer Umlaufbahn zwischen dem Mars und dem größten Planeten unseres Sonnensystems befinden.

Dort befindet sich auch das Objekt "30719", dessen mittlere Entfernung von der Sonne rund 463 Millionen Kilometer beträgt, was in etwa dem 3,08-fachen der Entfernung unserer Erde von der Sonne entspricht.  Der mächtige Gesteinsbrocken mit einem Durchmesser von 7,5 Kilometern und wurde vor vielen Jahrzenten von dem kanadischen Astronomen Sidney van den Bergh entdeckt.

Van den Bergh war vor bald einem halben Jahrhundert, im Herbst 1963, Gast am "Karl-Schwarzschild-Observatorium" in Tautenburg bei Jena, das später die Landessternwarte des Freistaats Thüringen wurde. Dort nahm der Kanadier mit der Tautenburger Schmidt-Spiegel-Kamera mehrere Galaxienfelder auf, brachte die Fotoplatten nach Kanada und fand auf den Aufnahmen die ersten zwei an einem kanadischen Obervatorium überhaupt entdeckten Kleinstplaneten.

Dr. Freimut Börngen (Foto rechts), der bis zum Jahre 1995 fast dreieinhalb Jahrzehnte lang an der Sternwarte Tautenburg tätig war, erfuhr aus der Fachliteratur, dass der erste von Van der Bergh entdeckte Planetoid 1979 vom US-amerikanischen "Minor Planet Center" neben der permanenten Bezeichnung "2104" auch den Namen der größten Stadt Kanadas, "Toronto", erhielt.

Bei Van den Berghs zweitem Objekt dauerte es wesentlich länger, bis dessen exakte Bahn-Definierung und die genauen Positionen aus mehreren Umläufen um die Sonne ermittelt werden konnte. Das jedoch ist die Voraussetzung für die Numerierung eines Kleinstplaneten durch das "Minor Planet Center". Erst im November 2001 habe der zweite, von Sidney van den Bergh auf den in Thüringen gemachten Aufnahmen entdeckte, Planetoid die Nummer "30719" erhalten, sagt Dr. Börngen. Danach oblag es dem Entdecker, einen Namen für sein Objekt vorzuschlagen.

Der war da allerdings bereits mit ganz anderen Dingen beschäftigt, hatte u. a. das "DDO"-Klassifikationsschema für Galaxien, die er in Leuchtkraftklassen von I bis V einteilte, entwickelt, das heute in Astronomenkreisen gang und gäbe ist. Wahrscheinlich verlor Van den Bergh darüber das Interesse an Planetoid "30719". Macht ein Entdecker aber mindestens zehn Jahre lang keinen Gebrauch von seinem Recht der Benennung, dann dürfen auch andere Personen einen Namen vorschlagen, bevorzugt solche, die an der Entdeckung, der Bahnbestimmung oder der Datengewinnung bezüglich des befreffenden Planetoiden mitgewirkt haben.

So schlug die große Stunde von Dr. Freimut Börngen, der dem "Minor Planet Center" nachweisen konnte, dass er 1963 bei der Aufnahme der Fotoplatten maßgeblich beteiligt war. Außerdem schlug Börngen "Isserstedt" als Namen für den Kleinstplaneten "30719" vor: der Jenaer Ortstteil, in welchen er heute als Rentner wohnt.

Im Juni 2012 entschied das "Minor Planet Center" zu seinen Gunsten, seit diesem Monat führt der Planetoid Nr. "30719" offiziell die Bezeichnung "isserstedt" und als Begründung wurde in den USA vermerkt: "Isserstedt ist ein Stadtteil von Jena und liegt hoch über der Stadt ganz in der Nähe des Schauplatzes der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt 1806".

Einen Planetoiden mit der Bezeichnung "Jena" gibt es im Übrigen seit 1905. Ein Jahr zuvor hatte ihn der Heidelberger Astronom Maximilian Franz Joseph Cornelius Wolf entdeckt. Carl Zeiss zu Ehren benannte Sergei Ivanovich Beljawsky einen 1916 entdeckten Planetoiden "Zeissia". Auch einen Kleinstplaneten namens "Bauersfeld" gibt es: er wurde 1940 von Karl Wilhelm Reinmuth entdeckt. Und auch Ernst Abbe ist im Weltraum vertreten; den Planetoiden "Abbe" entdeckte der Namensgeber des "Isserstedt"-Planetoiden am 21. Februar 1982 an der Landessternwarte in Tautenburg höchstselbst. Im April 2006 wurde Dr. Freimut Börngen im Übrigen für sein Lebenswerk gewürdigt und mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

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