Samstag, 26. Mai 2012

"Kein dringender Tatverdacht!": Bundesgerichtshof entlässt Holger G. nach dessen umfangreichen Aussagen zur "NSU" aus der Untersuchungshaft

 
(lsn) - Die Generalbundesanwaltschaft hat einen herben Rückschlag bei ihren Ermittlungen zur Terrorzelle "Nationalsozialitischer Untergrund" / "NSU" hinnehmen müssen. Gestern entließ der Bundesgerichtshof / BGH einen der inhaftierten Unterstützer von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos (beide siehe Foto oben) und Beate Zschäpe aus der Untersuchungshaft.

G. war am 13. November 2011 als erster mutmaßlicher Unterstützer des "NSU" in der Nähe von Hannover festgenommen worden. In der Folge half er den Ermittlern mit umfangreichen Aussagen, kooperierte teilweise so sehr mit dem BKA, dass es Gerüchte gab, G. solle in die Kronzeugenregelung kommen. Nun kam es sogar noch "besser" für den ehemaligen Jenaer Kameraden des Terrortrios. Gegen ihn bestehe "kein dringender Tatverdacht" mehr, sagte ein Sprecher des BGH gestern. Zwar werde gegen G. weiter ermittelt, allerdings nur noch wegen "einfachen Tatverdachts" und dieser rechtfertige keine weitere Untersuchungshaft, sagte der Sprecher.

Holger G. kannte Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe aus der ehemaligen "Kameradschaft Jena", in der er in den 1990er-Jahren aktiv war. Nach dem Untertauchen des Trios im Januar 1998 zog Holger G. nach Niedersachsen. 2001 oder 2002 erhielt er besuch des (inzwischen ebenfalls inhaftierten) ehemaligen NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben, der G. bat, einen Stoffbeutel mit einer Pistole in die Wohnung in der Polenzstraße nach Zwickau, dem damaligen Wohnsitz der drei Untergetauchten, zu bringen. Das tat er auch, erklärte aber danach (nach eigener Darstellung) zu Wohlleben, dass er "so etwas nie wieder machen werde", da er "mit Waffen nichts zu tun haben wolle und die Anwendung von Gewalt für sich ausschließe". Wohlleben habe ihm daraufhin gesagt, so G. zu den Ermittlern, es sei besser, "wenn du nicht weißt, was sie damit vorhaben".

Daher würden, so die Erklärung des BGH, "tragfähige Anhaltspunkte dafür (fehlen), dass die Übergabe der Pistole die Taten (des "NSU") objektiv in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert hat". Die Bundesanwaltschaft hatte ihre Haftbegründung auch damit unterlegt, dass G. seine alten Kumpane auch Jahre später nicht im Stich gelassen habe.

So veränderte er 2011 sein Aussehen, kürzte sein Haar und setzte eine Brille auf, um sich einen eigenen neuen Reisepass ausstellen zu lassen, der danach von Böhnhardt genutz werden konnte. Außerdem übergab er Böhnhardt persönlich den Pass und seine Versicherungskarte der AOK. Den Reisepass verwendete Böhnhardt z. B. um das Wohnmobil auszuleihen, das die Terroristen bei ihrem letzten Banküberfall am 4. November 2011 verwendeten.

Doch auch dies reichte den Richtern offensichtlich nicht als Beleg für eine aktive Unterstützung des "NSU" durch Holger G. aus. In dem Freilassungsbeschluss vom 25. Mai 2011 heißt er wörtlich: "Für den Beschuldigten deutete (...) nichts darauf hin, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zwischenzeitlich den von ihnen vor ihrem Untertauchen befürworteten bewaffneten Kampf tatsächlich aufgenommen und Anschläge mittels Schusswaffen oder Sprengstoff verübt hätten". Bei der Bundesanwaltschaft gibt man sich indes noch nicht endgültig geschlagen: "Wir werden mit Nachdruck weiterermitteln", sagte Behördensprecher Marcus Köhler der Presse und betonte dabei: "Die Entscheidung bedeutet nicht, dass eine Anklage gegen den Beschuldigten wegen Unterstützung der terroristischen Vereinigung nicht mehr in Betracht kommt."

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