Montag, 23. April 2012

Freud und Frust der Kandidaten: Bei der ersten Runde der OB Wahl 2012 am gestrigen Sonntag gab es mehrere faustdicke Überraschungen

(lsn/radiojena) - Damit, dass Amtsinhaber Dr. Albrecht Schröter die absolute Mehrheit nur hauchdünn verfehlen würde, hatten gestern Abend im Jenaer Rathaus nur die wenigsten Gäste gerechnet, denn seine Direktwahl im ersten Wahlgang schien nur für wirklichkeitsferne Träumer denkbar.

Dafür gab es aber schon mit den ersten Trends aus den einzelnen Wahllokalen lange Gesichter bei der Linkspartei um Kandidatin Dr. Gudrun Lukin. Dort hatte man, wenn auch nicht offiziell, schon fest mit einer Stichwahl am 6. Mai 2012 gerechnet, wobei Dr. Lukin als Gegenkandidation zum Amtsinhaber als sicher galt. Doch es kam alles anders und am Ende betrachtet sind ihre 5.560 Stimmen von fast 40.000 Jenaerinnen und Jenaern, die gestern zur Wahl gegangen sind, viel zu wenig für "Die Linke." in der Lichtstadt, die bei der Stadtratswahl 2004 (damals noch als "PDS") mit mehr als 24 % der Wählerstimmen stärkste Kraft vor der CDU und der SPD wurde und fünf Jahre später immerhin noch mehr als 20 % erreichte. Der Abwärtstrend für die Nachfolgepartei der SED hat sich in Jena damit weiter fortgesetzt.

Desaströs ist das Ergebnis für den FDP-Kandidaten Dr. Andreas Nitzsche zu bezeichnen, der am Ende noch nicht einmal 1.000 Wählerstimmen erhielt und im Rathaus mit Sprüchen wie "Du bist halt in der falschen Partei..." und "...sperriger Wahlslogan" getröstet wurde. Mit gerade einmal 2,4 % der Wählerstimmen lag er sogar noch hinter Einzelkandidatin Heike Seise (3,0 %), die ihre Ahnungslosigkeit in Sachen Amtsführung eines Oberbürgermeisters noch kurz vor der Wahl in der Lokalzeitung unter Beweis stellte, als Seise auf die Frage: "Was machen Sie zuerst, wenn Sie Oberbürgermeister geworden sind?" antwortete: "Die Neubesetzung der Dezernentenstellen." Kein Wunder, dass sie daraufhin verspottet und belehrt wurde, dass Dezernetenstellen nicht von einem OB besetzt werden und er auch keine Dezernenten entlassen kann, wie ja der seinerzeitige Rechtstreit um die Stadtentwicklungsdezernentin Katrin Schwarz belegt.

Frust gab es auch bei den Gegnern der Eichplatzbebauung, die ihren Kandidaten Andreas Mehlich weiter vorne gesehen hatten. Ein Achtungserfolg sind dessen 9 % bei der OB-Wahl alle Mal, allerdings relativiert sich dies wieder, wenn man bedenkt, dass Mehlich sowohl von den Piraten, als auch den Bürgern für Jena und der Fraktiion die Guten unterstützt worden war. Hier waren zusammen(hoch)gerechnet mindestens 15 % Unterstützung erwartet worden.

Dass der Kandidat von Bündnis 90/GRÜNE bei der letzten OB-Wahl 6,3 % (= Marco Schrul) erreichte und der aktuelle Kandidat Denis Peisker dieses Mal nur 4,5 % war sicherlich auch kein Grund zur Freude und so war man in diesem Lager gestern Abend auch recht enttäuscht. Unter der Hand hatte man sich vom bundesweiten Trend für Bündns 90/GRÜNE mehr erhofft, ein Stadtratsmitgleid spach im Vorfeld sogar von "15 % +".

Zufriedenheit dafür bei der CDU. Beflügelt von einem landesweiten Höhenflug (in Thüringen lag die CDU gestern bei fast 34 % / SPD = rund 24 % / Die Linke. = etwa 15 %) schaffte es ihr relativ unbekannter Kandidat, Hochschullehrer Dietmar Schuchardt, in die Stichwahl gegen Dr. Albrecht Schröter. Gute Aussichten wären dies, bezogen auf SPD und CDU, auch für die Stadtratswahl in zwei Jahren. Dabei kämen beide Parteien, wenn sich die (Personenwahl-) Stimmenverhältnisse des gestrigen Tages auf Parteien umrechnen lassen würden, zusammen auf etwa 66 % und damit auf eine 2/3tel-Mehrheit.

Allerdings herrschen bei einer Stadtratswahl andere Gesetze und die Wählerínnen und Wähler könnten hier einem SPD-OB eine andere Mehrheit im Stadtrat gegenüber stellen...vorausgesetzt, dass der Amtsinhaber Dr. Albrecht Schröter die Stichwahl am 6. Mai 2012 gegen Prof. Dr. Dietmar Schuchardt gewinnt. Doch daran gibt es seit dem gestrigen Abend wohl keinerlei Zweifel mehr. Um Zeit zu sparen werden sich Schröter und Schuchardt wohl auch bald schon zusammensetzen und (Heike Seise wird es grausen...) über die Neubesetzung der im Juli 2006 für sechs Jahre besetzten Dezernentenstellen beraten.

Dabei darf man getrost davon ausgehen, dass in diesem Jahr eine weitere Amtszeit von SPD-Finanzdezernent Jauch und CDU-Sozialdezernent Schenker beschlossen werden wird. Gewählt werden müssen die Dezernenten (siehe oben!) von einer Stadtratsmehrheit und die ist der Jenaer Koalition von SPD, CDU und Bündnis 90/GRÜNE bis zur nächsten Stadtratswahl im übernächsten Jahr sicher. Allerdings wohl nur dann, wenn man dem Juniorpartner Bündnis 90/GRÜNE gemeinsam die dritte Dezernentenstelle verschafft.

Das war 2006 im ersten Anlauf gründlich schief gegangen und die parteilose Kandidatin Katrin Schwarz wurde mit der knappsten aller Stadtratsmehrheiten (und legitimiert durch einen nachträglichen Verwaltungsgerichtsentscheid) ins Amt gewählt. Ein "Betriebsunfall", denn eigentlich sollte die Koalition damals den GRÜNEN-Kanidaten für die OB-Wahl, Marco Schrul, ins Amt verhelfen.

Dieses Mal muss und wird man bei SPD, CDU und den GRÜNEN alles wohl "richtig" machen wollen und die Stelle des Dezernenten für Stadtentwicklung mit einem GRÜNEN-Kandidaten besetzen. Da Marco Schrul nicht mehr zur Verfügung steht, könnte dies der aktuelle OB-Kandidat Denis Peisker sein. Sein Wahlslogan "Jena -weiter - denken" würde da ja auch ganz gut passen.

Das ist im April 2012 zwar alles reine Spekulation, aber so funktioniert Demokratie heutzutage nun mal. Und natürlich haben alle Parteien und Wählervereinigungen stets das Recht und die Pflicht ihre eigenen Kandidaten aufzustellen.

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